Rückenschmerz – Was nun?
Das Thema Rückenschmerz betrifft mittlerweile mehr als 60 % der deutschen Bevölkerung. In den Statistiken der Krankenkassen ist es der mit Abstand häufigste Grund für Krankheitstage. Aber wieso häuft sich die Anzahl der „Erkrankten“ und was ist die Ursache? Wie kann ich mich vor dem Rückenschmerz schützen und was tue ich wenn er da ist?
Drei Übungsvideos zur Mobilisation der Lendenwirbelsäule für zu Hause finden Sie am Ende dieses Textes.
Was ist Rückenschmerz?
Es gibt verschiedene Arten von Rückenschmerzen. Im Allgemeinen wird dieser Schmerz unterteilt in spezifischen und unspezifischen Schmerz. Der unspezifische Schmerz betrifft gut 90% aller Patienten. Hierbei klagen die Patienten über unterschiedliche Schmerzregionen. Manche äußern Schmerz direkt auf der Wirbelsäule und bei anderen strahlt der Schmerz zum Gesäß oder bis ins Bein aus. Bei wieder anderen ist der Schmerz mittig, einseitig oder auf beiden Seiten vertreten. Keiner dieser Schmerzen deutet auf neurologische Schädigungen hin sondern nur auf vorwiegend entzündliche (meist Bandscheibenbedingte) Beschwerden.
Patienten mit spezifischen Rückenschmerzen haben sehr deutliche Symptome. Sie klagen über Schmerzen, Kribbel- oder Taubheitsgefühle und manchmal Schwäche oder Lähmungserscheinungen in den durch die Nerven versorgten Strukturen. Diese Missempfindungen, die offensichtlich durch eine Nervenschädigung hervorgerufen werden, sind durch Bewegungstests auch auslösbar und so klar zu diagnostizieren. Zum Beispiel, wenn man den Körper nach links neigt wird das Kribbeln in Arm oder Bein nach kurzer Zeit stärker, was deutlich macht, dass hier durch Veränderung der Wirbelposition eine mechanische Einengung ausgelöst wird. Wenn man dann die Position zur Gegenseite ändert, verschwinden die Symptome meist wieder. Diese Art von Einengung wird gerne operativ versorgt, was aber nicht immer notwendig ist.
Ob es sich hierbei um akute oder chronische Beschwerden handelt, wird an der Dauer der Schmerzintervalle ermittelt. Besteht der Schmerz ununterbrochen länger als drei Monate gilt er als chronisch einzustufen. Hier gibt es viele Grauzonen, denn bei vielen tritt der Schmerz episodisch auf. Die Einstufung ist hierbei nicht entscheidend sondern dass die richtige Therapie eingeleitet wird. Chronische Beschwerden können stark in den Alltag eingreifen und Depressionen oder Störungen in den Organsystemen verursachen.
Wie wird das diagnostiziert und was bedeutet meine Diagnose?
In erster Linie wird nach der Anamnese eine Funktionsuntersuchung durchgeführt. Man testet die Kraft der einzelnen Muskeln in den Extremitäten, Reflexe, Beweglichkeit und Bewegungsschmerz. Dann folgen spezifische Bewegungstests, die der Problematik auf den Zahn fühlen und helfen den Schmerzverursacher (Bandscheibe, Muskel, Nerv, Gelenk…) zu ermitteln. Dann kann der Arzt schon entscheiden, welche Maßnahmen jetzt zu ergreifen sind. Hier sind einige typische Beispiele:
Diagnose: Akuter Lumbago
Bedeutung: Hexenschuss, hier ist eine Bandscheibe bei Überbelastung beschädigt worden.
Therapie: Entzündungshemmende Schmerzmittel und Physiotherapie zur Schmerzeindämmung, in der Regel heilt es binnen 14 Tagen.
Diagnose: LWS-Syndrom
Bedeutung: Keine klare Diagnose, es wird lediglich auf Rückenschmerzen im unteren Rücken hingewiesen.
Therapie: Je nach Symptomatik von Schmerzmitteln über Physiotherapie bis zur OP ist alles möglich.
Diagnose: Bandscheibenprolaps/-vorfall z.B. L4/5
Bedeutung: Kennzeichnet eine Vorwölbung der Bandscheibe zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel, wird meist nur mit Bildgebung diagnostiziert. Manchmal wird noch ergänzt, dass neurologische Symptome auch vorhanden sind.
Therapie: Wenn die Beschwerden sehr lange andauern, werden zu den entzündungshemmenden Schmerzmitteln auch stärker wirkende Schmerztropfen oder Opiate verabreicht. Physiotherapie geht der Operation voran, die OP wird hier nur bei deutlichen Nervenschädigungen sofort in Erwägung gezogen.
Diagnose: Spondylolisthesis
Bedeutung: Wirbelgleiten, kann nur mit einem Funktionsröntgen ermittelt werden, was hierzulande äußerst selten ist. Beurteilt wird, ob die Wirbel unter Bewegung „verrutschen“.
Therapie: Hier hilft nur Sport und Stabilisieren der Wirbel. Gezieltes Muskeltraining kann die Schmerzen sehr gut eindämmen.
Diagnostisch wird bei Rückenschmerzen, bei denen die Therapie nicht anschlägt oder eine Nervenschädigung abzuklären ist, gern ein Röntgenbild oder MRT zurate gezogen. Ein Röntgenbild der Wirbelsäule gibt in der Regel keine genaue Auskunft zur Schmerzursache (außer bei Frakturen einzelner Wirbel) und selbst Fehlstellungen werden immer seltener als schmerzverursachende Problematik angegeben. Ein MRT ist hier die bessere Wahl, um die bisher getätigten Untersuchungen zu untermauern, da hier auch die Weichteile (alles was nicht Knochen ist) dargestellt werden. Häufig werden aber auch MRT-Bilder fehlinterpretiert. Man findet oft Bandscheibenverformungen oder -vorwölbungen, die jedoch nicht Verursacher des Schmerzes sein müssen. In MRT-Studien hat man bei einem Großteil der Probanden aus den Kontrollgruppen (das sind Probanden ohne Symptome oder Schmerz) ebenfalls Bandscheibenvorfälle oder völlig deformierte Wirbel gefunden, die sich aber nie bemerkbar gemacht haben.
Was verursacht diesen Schmerz?
Diese verschiedenen Arten von Rückenschmerzen werden statistisch zu 80% von der Bandscheibe erzeugt. Bandscheiben können degenerieren, das bedeutet in einzelnen Faseranteilen können Risse entstehen. Diese Risse entzünden sich und die umliegenden Nerven dazu. Die entzündeten Nervenendigungen an der Bandscheibe irritieren das Nervensystem und das Gehirn projiziert den Schmerz daraufhin in die Beine oder Arme. Das ist, als würde man im Garten stehen und Blumen gießen und plötzlich kommt kein Wasser mehr aus dem Gartenschlauch. Man weiß in diesem Moment nicht ob der Schlauch einen Knick, jemand das Wasser abgedreht oder im Wasserwerk den Zulauf blockiert hat. So kann auch das Gehirn nur den betroffenen Nervenstrang lokalisieren und dann eine Schmerzantwort senden. Das liegt daran, dass gerade an den Bandscheiben viele Nerven zusammentreffen aus den umliegenden Regionen und dann zum Gehirn hoch ziehen. Wenn eine Entzündung sich hier ausbreitet, sind all diese Nervenstränge mitbetroffen und melden Schmerz ohne eine dazugehörige Schädigung erhalten zu haben. Nimmt man nun entzündungshemmende Mittel ein, wird der Schmerz direkt besser. Diese Medikamente wie Ibuprofen oder Diclofenac hemmen das Hormon Prostaglandin welches bei Entzündung ausgeschüttet wird. Somit wird der Schmerzreiz von den Nerven genommen und man kann sich wieder normal belasten.
Bei spezifischen Rückenschmerzen wirken diese Medikamente nicht, denn die Beschwerden gehen hier auf eine Verformung der Bandscheibe, Knochen oder Bänder zurück, die direkt die Nervenräume einengen.
Viele Patienten äußern ihre Beschwerde in Ruhepositionen z.B. bei längerem Sitzen oder nach langem Liegen wenn man morgens aufsteht. Man bewegt sich erstmal „steif“ durch den Tag. Im Tagesverlauf wird es dann besser und wenn man sich zu viel belastet hat, wieder schlimmer. Das ist auf den Wassergehalt in der Bandscheibe zurückzuführen. Die Bandscheiben ändern ihren Wassergehalt je nach Belastung. In Ruhepositionen saugen die Bandscheiben Flüssigkeit an und unter Druck beim Stehen und Gehen, wird die Flüssigkeit wieder abgegeben. Dazu sind viele Eiweiße in den Bandscheiben gelagert, die wie Schwämme die Flüssigkeit aufsaugen oder ausdrücken. Je mehr Flüssigkeit in der Bandscheibe ist, desto mehr Druck herrscht vor. Bei kleinen Rissen im Gewebe verteilt sich der Druck nicht mehr optimal und führt so zu Schmerz.
Je geringer der Flüssigkeitsgehalt ist, desto instabiler liegen die Wirbel aufeinander. Das ist grundlegend nicht schlimm, denn die Muskeln fangen diese Instabilität ab. Die tiefen stabilisierenden Rückenmuskeln sind jedoch klinisch belegt bei den meisten Rückenpatienten deutlich „zurückgebildet“. Das bedeutet, sie sind durch mangelnde Bewegung schlecht trainiert. Die oberflächlichen Muskeln hinterlassen diesen Eindruck oft nicht. Sie sind immer gut ausgeprägt und haben auch Kraft, aber sie können rein anatomisch nicht gut stabilisieren, weil sie zu oberflächlich liegen. Wenn nun der Flüssigkeitsgehalt sinkt und die Muskeln nicht gut reagieren, fangen die Wirbel an, bei den Bewegungen „wegzurutschen“, was an den Bandscheiben Scherkräfte erzeugt und zu Schmerz führen kann. Oft können Menschen deshalb nicht lange stehen.
Was macht der Physiotherapeut und wo liegt der Unterschied zur Osteopathie?
Der Physiotherapeut untersucht das Problem und versucht dann entweder mit Training oder schmerzlindernden Mobilisationen die Symptomatik einzudämmen oder sogar gänzlich zu beseitigen. Dabei ist der Therapeut aber an die Verordnung des Arztes gebunden. Das Training wird in den meisten Fällen individuell als Heimübungsprogramm mitgegeben, um erneuten Erkrankungen vorzubeugen. Die Rückfallquote bei Rückenpatienten ist erschreckend hoch, bei Patienten die trainieren jedoch deutlich niedriger.
In der Osteopathie versucht man der Ursache des Schmerzes genauer auf den Grund zu gehen. Der Schmerz mag ja von der Bandscheibe ausgelöst worden sein, aber wieso macht die Bandscheibe nach all den Jahren Schmerzfreiheit jetzt Probleme? Es ist denkbar, dass ein Beckenschiefstand die Statik der Wirbelsäule verändert hat und die Bandscheibe überlastet war, oder dass Verklebungen im organischen Gewebe einseitige Bewegungseinschränkungen ausgelöst haben. Der Osteopath packt also das Problem an der Wurzel und kann dadurch sehr nachhaltig die Schmerzen beseitigen. Dazu ist eine sehr genaue osteopathische Befundung notwendig.
Was mache ich wenn der Schmerz akut vorhanden ist?
Da der Schmerz von unterschiedlichen Strukturen ausgelöst werden kann und da die Symptome bei jedem unterschiedlich sein können, gibt es keine pauschale Übung, die den Schmerz direkt lindert. Einige nutzen die Stufenlagerung, um sich zu entlasten und bei anderen verursacht gerade das mehr Schmerzen. In jedem Fall ist Bewegung wichtig und sollte, soweit es schmerzarm möglich ist, mit regelmäßigen Pausen gemacht werden. Es stützt den unteren Rücken, wenn man den Bauchnabel einzieht oder den Bauch zum Beispiel beim Heben etwas anspannt. Verdrehtes Liegen aus dem Yoga hilft auch einem Großteil der Rückengeschädigten. Auch sportliches Training ist in erster Linie nicht schädigend, sofern man eine Regel einhält: Die Übungen dürfen nicht wehtun! Es gibt Übungen, bei denen es auch mal zwicken darf, aber es sollte jemand mit entsprechenden Fachkenntnissen einen Blick darauf haben.
Drei Beispielübungen zur Mobilisation im Bereich der Lendenwirbelsäule können Sie sich in unseren nachfolgenden Heimübungsvideos ansehen und bequem von zu Hause aus nachmachen:
Übung 1:
Übung 2:
Übung 3: